Am Sonnabend vor einer Woche sollten eigentlich 600 Ärztinnen und Ärzte sowie Praxispersonal aus Stadt und Region Hannover geimpft werden. Zum Termin erschienen sind aber nur 200 Impfwillige.
Die anderen ließen den Termin ohne Absage verstreichen, wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (HAZ) am Sonnabend berichtete. Die Termine waren demnach laut Region Hannover zwischen den Praxen und dem Impfzentrum schriftlich vereinbart.
(…)
Nach HAZ-Angaben waren für diesen Sonnabend 700 Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeitende der Praxen zum Impfen angemeldet. Informationen darüber, wie viele von ihnen diesmal tatsächlich zum Termin gekommen sind, sind, sollen laut Region Anfang der Woche vorliegen.
ndr.de vom 28.03.2021
Na denn, wenn das so ist, scheinen die Kolleg*innen wohl nicht so viel von der Impfung zu halten. Warum auch immer – oder sind sie einfach nur stur und wollen die Impfung boykottieren, weil sie eine Aversion gegen die Impfzentren haben. Jedenfalls kann man wohl nicht behaupten, dass sie nicht in der Lage wären, wegen einer Behinderung die Wegstrecke zum Impfzentrum zurücklegen zu können.
Ob diese Fachleute die richtigen Berater für die Impflinge sind? Vielleicht nur, wenn ihre Kundschaft in ihre eigene Praxis kommt.
Vielleicht bin ich schwer von Begriff, ich verstehe viele Querdenker und Verschwörungstheoretiker auch nicht. Ich dachte immer, dass ich die Mehrheit meiner Kolleg*Innen doch einigermaßen verstehen würde. Aber wenn ich die oben angegebene Pressemeldung zur Kenntnis nehme, fehlen mir einfach die Worte. Ich frage mich immer öfter, was (m)eine Approbation als Arzt noch wert ist.
(Ergänzender Nachtrag vom 28.03.2021 für diejenigen, die sich in das Thema vertiefen wollen: Der tagesspiegel.de berichtet am 28.03.2021 über das Verhältnis der Berliner Kassenärzte bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung zu den Impfzentren und die Diskussion zum Thema ‚Vertrauen‘ und ‚Priorisierung‘. Jeder kann selbst entscheiden, ob es um das Vertrauen in die Impfstoffe oder das Vertrauen in die Ärzte geht, und mit welchen Mitteln dieses Vertrauen untergraben oder wiederhergestellt werden soll.
Es war schon immer so: Korruption setzt Vertrauen voraus, wenn sich die Begünstigten einig sind.)
Die Normabweichung ist die Norm. Also alles NORMAL. Das könnte die neue Meta-DIN-Norm sein. Es ist also einfach nicht mehr möglich, von der Norm abzuweichen; die Erfüllung der Norm ist gleichermaßen normal wie deren Abweichung.
Die Kanzlerin beschließt mit den Ministerpräsidenten die Regeln für die aktuelle Verfahrensweise der Pandemiebekämpfung. Das scheint eine Aufforderung für die Minister*innen zu sein, Ausnahmetatbestände aus dem Hut zu zaubern, um die zuvor vereinbarten Regeln zu unterlaufen oder ins Gegenteil zu verkehren. Diese Verfahrensweise scheint als Norm etabliert zu sein. Also alles NORMAL.
Eigentlich [Hervorhebung durch den Autor] ist die Notbremse abgesprochen, aber die Regierung in Düsseldorf will ihre Corona-Maßnahmen noch nicht landesweit verschärfen (…)Eigentlich haben Bund und Länder Notbremsen bei Inzidenzwerten über 100 je 100.000 Einwohner vereinbart. Nordrhein-Westfalen wird seine aber nicht ziehen – zumindest nicht landesweit. Das geht aus der am Freitag veröffentlichten Corona-Schutzverordnung hervor. (…) Die betroffenen Kreise und kreisfreien Städte dürfen aber Ausnahmen für Menschen mit tagesaktuellem negativem Schnell- oder Selbsttest erlauben. (…)
Bund und Länder hatten am Montag beschlossen, dass die vereinbarte »Notbremse« bei gestiegenen Coronazahlen konsequent umgesetzt werden müsse. Im Beschluss hieß es: »Angesichts der exponentiell steigenden Infektionsdynamik muss die im letzten Beschluss vereinbarte Notbremse konsequent umgesetzt werden.«
In NRW liegt die Wocheninzidenz schon seit mehreren Tagen über 100. Bis Freitag stieg sie nach Zahlen des Landeszentrums Gesundheit auf 121,6 pro 100 000 Einwohner an. (…)
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte noch am Dienstag angekündigt, dass in Nordrhein-Westfalen die Corona-Notbremse ab Montag gezogen werde. Dabei sei das ganze Land der Maßstab, hatte er ursprünglich gesagt. In Corona-Hotspots werde es noch zusätzliche Maßnahmen geben. Laschet hatte aber auch gesagt, dass im Kampf gegen Corona ein neues Kapitel aufgeschlagen werden müsse. Das »reine Schließen« sei an seine Grenzen gekommen.
Spiegel.de vom 26.03.2021
Merke:
Wer das Wort „eigentlich“ benutzt, meint ‚eigentlich‘ das Gegenteil von dem was er/sie anschließend sagt.
Das gilt – nicht nur eigentlich, sondern immer – für Politiker gleichermaßen wie für die Presse und die geliebten oder ungeliebten Nachbarn oder Verwandten und auch die Kommentatoren in den sog. sozialen Medien.
Wenn die Notbremse in der Not nicht mehr gezogen wird, wer bremst denn dann, wenn es nach dem Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse ‚wirklich‘ notwendig ist???
Die vom Wahlkampf besoffene Krawallbande mancher Politiker auf absehbare Zeit mutmaßlich nicht.
Mein Verständnis wächst für die ’normalen‘ Zeitgenossen, die es nicht mehr für ‚geboten‘ halten, sich an die unbequemen ‚Gebote‘ des Infektionsschutzes zu halten und das Konzept der Politik zu übernehmen,
in einem Topf durcheinander zu quirlen und jede Gelegenheit suchen, die Regeln zu unterlaufen und sich dabei nicht erwischen zu lassen.
Vernünftiges Verhalten in Bezug auf den Infektionsschutz (Abstand halten, entbehrliche Kontakte zu anderen Personen konsequent unterlassen, die Mobilität auf das Unabdingbare beschränken, Masken tragen etc.) hat in Konkurrenz zum sportlichen Ehrgeiz, die Grenzen der vorgegebenen Regeln auszureizen und zu übertreten, keine Konjunktur mehr. Die Politiker überbieten sich gegenseitig, für diesen Sport das beste Vorbild zu sein. Hinzu kommt der Wettbewerb, diese sportliche Betätigung mit virtuosen, vorgeschobenen Argumenten zu legitimieren.
Im Essener Corona-Impfzentrum soll ein Arzt nach Feierabend ein Familienmitglied heimlich mit übrig gebliebenem Restimpfstoff geimpft haben. Das teilte die Polizei am Donnerstag mit. Es werde geprüft, ob sich der 65-Jährige eines Diebstahls- oder Unterschlagungsdeliktes strafbar gemacht habe, hieß es in der Mitteilung. Er sei der kassenärztlichen Vereinigung gemeldet und für alle Impfzentren gesperrt worden. Bestätigte Impftermine seien nicht gefährdet worden, da er Rest-Impfstoff verwendet hatte.
Laut Polizei hatte der Arzt am Dienstagabend ein weibliches Familienmitglied in das bereits geschlossene Impfzentrum gelassen und geimpft, obwohl die Frau nach der offiziellen Priorisierung noch nicht geimpft werden durfte. Laut «Bild»-Zeitung handelte es sich um seine Ehefrau. Zwei weitere Personen sollten laut Polizei ebenfalls geimpft werden. Da andere Mitarbeiter aufmerksam wurden und den Chef des Impfzentrums informierten, sei dies gestoppt worden.
Zeit.de vom 25.03.2021
Tja, dumm gelaufen; der arme Doktor wäre nicht erwischt worden, wenn man es den Ärzten schon früher überlassen hätte, in ihrer Praxis alleine zu entscheiden, wen sie in welcher Reihenfolge impfen und wer deswegen etwas länger in der Warteschlage steht. Auf der Straße ist ja genug Platz.
Der Alptraum: Es könnt ja jemand auf die Idee kommen, dass man die niedergelassenen Ärzte nötigt, im Schichtdienst in Impfzentren zu arbeiten, die 24-Stunden an 7 Tagen in Betrieb sind – Weltuntergang! Dann hätte man ja gar keine Gelegenheit, nach Schließung des Impfzentrums heimlich Familienangehörige oder Privatpatienten zu impfen. Ein Impfzentrum ist doch keine Intensivstation.
Es ist einfach eine Schande, die armen Ärzte dazu zu verdonnern, in einem Impfzentrum zu arbeiten, in dem sie in fremder Umgebung um ihre Therapiefreiheit gebracht werden und auch noch von anderen Mitarbeitern verpfiffen werden könnten. Unerhört!
Es lebe der ärztliche Selbstbedienungsladen – Hauptsache die anderen bezahlen. Die ärztlichen Standesvertreter sind auf dem besten Weg, die Voraussetzungen dafür zu schaffen: Weg mit den Impfzentren.
Eine flächendeckende Impfung sei nur über die Hausarztpraxen möglich, wird die Kassenärztliche Vereinigung zitiert. (…) Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin kündigt zum 30. April den Vertrag mit dem Berliner Senat über die Kooperation bei den Impfzentren. (…) In dem Schreiben heißt es demnach, künftig könne die KV nicht mehr gewährleisten, dass der ambulante Bereich alle Schichten der Ärzte in den Impfzentren besetze.
berliner-zeitung.de am 19.03.2021:
Es könnte also lebensrettend sein, eine sehr vertrauensvolle Beziehung zu dem behandelnden Arzt zu haben! Welcher Patient würde den Arzt denn schon verpfeifen, wenn er bei der Impfung bevorzugt würde?
titelt Tagesschau.de und zitiert den Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt:
… „Die Bereitschaft ist da, die Logistik steht, die Lieferketten stehen.“ Pilotprojekte hätten gezeigt, dass es möglich sei, alle verfügbaren Impfstoffe auch in der hausärztlichen Praxis zu impfen. „Ich verstehe es nicht“, sagte Weigeldt. „Weswegen müssen wir jetzt warten? Auf was?“ Er warf der Politik vor, sie würde die Impfzentren privilegieren. Die Menschen würden sich aber lieber beim Hausarzt impfen lassen.
Tagesschau.de –
Ich glaube es nicht,
dass der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes so dumm ist, dass er nicht versteht, worum es in der Substanz geht; ich gehe davon aus, dass er die Bevölkerung und die Politiker vorsätzlich für dumm verkaufen will.
„Die Bereitschaft ist da, die Logistik steht, die Lieferketten stehen.“
Diese Aussage ist schlichtweg unzutreffend. Die Lieferketten sind erheblich beeinträchtigt und alles andere als stabil; die Aussage des Standesvertreters ist eine sehr dreiste Behauptung – oder Weigelt hat keine Ahnung, was man unter einer Lieferkette versteht. Was Weigelt unter den gegenwärtigen Umständen mit der ’stehenden Logistik‘ meint, bleibt sein Geheimnis; was er mit ‚Bereitschaft‘ genau meint, geht aus der Meldung nicht hervor. Es wäre vielleicht eine interessante Idee, sich öffentlich dazu zu äußern, zu welchen konkreten ökonomischen Bedingungen und mit welcher Logistik – vom Anfang der Lieferkette bis zur Einbestellung der Impflinge, dem Management der Warteschlangen vor der Praxis, der Aufklärung der Impflinge und schließlich der Applikation der Spritze mit der anschließenden Beobachtungsphase – die gesamte Ärzteschaft bereit und in der Lage sei, die Massenimpfung einschließlich aller Nebenleistungen – unter den räumlichen Bedingungen einer konventionellen Kassenpraxis neben dem laufenden alltäglichen Praxisbetieb – zu übernehmen.
“ …. Pilotprojekte hätten gezeigt, dass es möglich sei,alle verfügbaren Impfstoffe auchin der hausärztlichen Praxis zu impfen. …“
Mit anderen Worten, Weigeldt sind die Impfzentren ein Dorn im Auge und er wünscht sich deren Abschaffung, denn die Hausärzte würden alles viel besser alleine bewerkstelligen. Die wissenschaftliche Qualität und Evidenz der von Weigeldt erwähnten Pilotprojekte (Plural!) würden mich im Detail interessieren, vor allem der wissenschaftlich fundierte Vergleich der Praxen mit den Impfzentren hinsichtlich der Einhaltung der Prioritätsvorgaben, der Abstands- und Hygieneregeln, sowie der Effizient und der Kosten.
„… Weswegen müssen wir jetzt warten? Auf was?“
Der Standesvertreter verträgt das Warten auf die Vergütung offensichtlich schlechter als die von der Infektion bedrohten Impflinge das Warten auf den rettenden Pieks.
Wenn er der Politik vorwirft, die Impfzentren zu privilegieren – was will er damit sagen? Er kann es offensichtlich nicht vertragen, dass die Politik die Ärzteschaft nicht wie gewohnt privilegieren will. So einfach ist es. Die Äußerungen des Standesvertreters sind Ausdruck von Populismus aus der untersten Schublade.
„Die Menschen würden sich aber lieber beim Hausarzt impfen lassen …“
Woher weiß der Hausarztvertreter das? Natürlich, weil er der Beste ist und weil er als Doktor grundsätzlich immer besser weiß, was für andere Menschen gut ist und was sich diese zu wünschen haben.
… Er [Weigeldt] warnte dabei auch vor zu hohen bürokratischen Hürden für die Hausärzte beim Impfen. „Die Bedingungen dafür müssen so sein, dass die Impfungen gegen COVID-19, wie alle anderen Impfungen auch, in die hausärztliche Routine übergehen. Das heißt beispielsweise, dass es keine überbordende Bürokratie geben darf. Das wäre sonst so, als würde man beim Fahren gleichzeitig auf dem Gas und der Bremse stehen“, sagte Weigeldt.
saarbruecker-zeitung.de –
Abschaffung der Bürokratie – das klingt gut. Soll bedeuten: Abschaffung der Kontrolle. Meine verehrten Kollegen hassen Kontrolle wie der Teufel das Weihwasser – das ist das übliche Klagelied bei fast jedem Ärztestammtisch. Priorisierung (nach Entscheidungskriterien der Politik) ist lästig; viel besser scheint es, es den Ärzten allein zu überlassen, wen sie von Ihrer Kundschaft bevorzugen wollen – und wer würde sich als Patient nicht gerne bevorzugen lassen? Natürlich sind ihnen dann die bevorzugten Kunden sehr dankbar!
Die Unterscheidung zwischen der ‚Freiheit der Berufsausübung‘ als berufsrechtlich geregelte Vertrauens-Obliegenheit und willkürlicher Machtausübung nach Gutsherrenart als unterstelltes unantastbares Privileg wird nicht nur von vielen Kollegen nicht erkannt, sondern auch von den Standesvertretern gerne schlichtweg ignoriert.
Kollegenschelte?
Jawoll, ich bin nicht bereit, die populistische Irreführung meiner Standesvertreter kritiklos hinzunehmen. Ich bin nicht bereit, eine Entwicklung hinzunehmen, die den ärztlichen Berufsstand dem Verdacht aussetzt, sich an der Pandemie auf unredliche Weise – zu Lasten der Allgemeinheit zu bereichern.
Gegen diesen Verdacht hilft nur schonungslose öffentliche Transparenz der ökonomischen Bedingungen, unter denen die beteiligten Personen und Gruppen ihren Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise leisten und die Unterlassung einer populistischen Argumentation der verantwortlichen Entscheidungsträger.
Zum Glück habe ich mit einigen – nicht aber der überwiegenden Mehrheit – meiner ärztlichen und psychotherapeutischen Kolleg*Innen als Kollege und Mitarbeiter gute Erfahrungen gemacht; aber ich kann nicht behaupten, dass es – nach meiner persönlichen Bewertung, auch aus meiner eigenen Rolle als Patient – keine schwarzen Schafe in meiner Berufsgruppe gäbe. Zu viele sachlich falsche ‚Gefälligkeitsbescheinigungen‘ und ‚Atteste‘ sind mir in früheren Jahren als Chefarzt, ärztlicher Verbandsfunktionär und Prüfer vorgelegt worden, die ausschließlich den Zeck hatten, Patienten oder anderen interessierten Personen ein (ökonomisches) Privileg zu verschaffen. Von Patienten unter den Bedingungen der Ressourcenknappheit wegen einer ‚bevorzugten Behandlung‘ oder einer ‚begünstigenden Bescheinigung‘ bedrängt zu werden, gehört zum ärztlichen Berufsalltag („… können Sie hier nicht einmal eine Ausnahme machen …?“). Ich kann verstehen, dass die Verführung für einen Arzt groß ist, Patienten, zu denen man eine ‚gute‘ persönliche Beziehung hat, einen Vorteil zu verschaffen, den aber andere Personen oder die Allgemeinheit bezahlen müssen. Ich räume ein, dass ich nicht ausschließen kann, dass ich dieser Versuchung schon einmal durch Unachtsamkeit oder Irrtum erlegen bin; aber ich versichere, dass diese Strategie für mich als ‚Geschäftsmodell‘ noch nie in Betracht gekommen ist. Falls jemand andersartige Erfahrungen mit mir in meiner Berufsausübung gemacht haben sollte, bitte ich um eine eindeutige Rückmeldung!
(…) Aber auch die Missachtung der Hygieneregeln in Arztpraxen sei neben sogenannten „Gefälligkeitsattests“ ein Thema. (…) Allein in Baden-Württemberg gingen nach Angaben der Landesärztekammer bis Februar 2021 circa 340 Beschwerden gegen Ärzte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ein. Welche Bußen von der Landesärztekammer für solche Hinweise verhängt werden, unterscheide sich jedoch von Land zu Land. In vielen Bundesländern laufen derzeit Prüfungen und berufsrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Ärzte.
HNA.de vom 21.03.2021
Nicht jede Beschwerde ist berechtigt. Ich selbst habe als Kammermitglied und Beschwerdeführer die Erfahrung gemacht, dass Beschwerden bei der für mich zuständigen Ärztekammer teilweise mit schlichter Untätigkeit beantwortet werden. 340 Beschwerden innerhalb von 2 Monaten bei einer Landesärztekammer könnten allerdings als ein Indikator angesehen werden, dass blindes Vorschussvertrauen und eine Approbation als Arzt allein nicht verhindert, dass ein Arzt eine Neigung zu korruptem Verhalten an den Tag legt.
Die Corona-Krise ist ein seltener ‚Testfall‘, der die beteiligten Personen – insbesondere diejenigen mit Strukturverantwortung – auf die Probe stellt. Die aktuellen Nachrichten (‚Maskenaffäre von Abgeodneten‘) zeigen, dass einige Politiker bei dieser Probe durchgefallen sind.
Es ist unerträglich, dass die Entscheidung über die Verteilung der u. U. lebensentscheidenden raren ‚Ressource Impfstoff‘ aus vorgeschobenen pragmatischen Gründen denjenigen als Einzelperson überlassen wird, die gleichzeitig die ökonomischen Nutznießer des Vollzugs ihrer eigenen Verteilungsentscheidung sind.
Die Erfahrungen mit dem Entscheidungsdilemma und den Fällen von korrupten Entscheidungen über die Zuteilung von Transplantationsorganen scheinen völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Die Analogie liegt aber auf der Hand; auch hierbei geht es um lebenserhaltende Entscheidungen und deren Vollzug unter extremem Zeitdruck. Montgomery (2015 – damals Präsident der Bundesärztekammer) via Bild: „Wir wollen das Vier-Augen-Prinzip einführen, bei dem ein unabhängiger Arzt feststellen muss, wie krank der Empfänger wirklich ist, damit die Liste nicht mehr gefälscht werden kann.“
Das ist der Grund, warum ich eine unabhängige Kontrolle der ärztlichen Tätigkeit in vielerlei Hinsicht für unabdingbar halte, auch wenn diese Kontrolle nicht nur unangenehm und lästig ist, sondern auch oft sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Wer sich dieser Kontrolle nicht unterwerfen will, sollte seine Approbation zurückgeben.
Das Schutzbedürfnis liegt bei den Impflingen und nicht bei einer ohnehin privilegierten Berufsgruppe. Allem Anschein droht die politische Führung und die Presse in Deutschland den Lobbyisten der Ärzteschaft – wieder einmal – auf den Leim zu gehen. Ich bin gespannt, wann die ersten Meldungen über das Kursieren von Corona-Impfstoffen auf dem Schwarzmarkt in Deutschland die Runde machen. Schöne Grüße vom Methadon-Schwarzmarkt.
Der Engpass der Corona-Massenimpfung liegt nicht darin, dass die zeitnahe Verimpfung in gut und vernünftig ausgestatteten oder noch kurzfristig auszustattenden Impfzentren nicht organisierbar sei, sondern jetzt und mittelfristig in den Produktions- und Lieferengpässen der Impfstoffe; daran können die Hausärzte auch nichts ändern. Der Vergleich mit den Bedingungen anderer Impfungen unter Nicht-Pandemiebedingungen (z. B. saisonale Grippeimpfung) ist völlig abwegig.
PS:
Wer das unglaubliche Privileg genießt, mich (denjenigen der im Impressum dieser Seite angegeben ist) persönlich zu kennen und dazu auch noch meine persönliche Mailadresse kennt, die/der kann mir gerne mitteilen, dass er/sie in meinen Verteiler aufgenommen werden möchte, um über neue Beiträge auf dieser Webseite per Mail informiert zu werden.
Gerne nehme ich auch von anderen Schriftgelehrten Beiträge auf, die zu dieser Seite passen; Meinungsvielfalt und Kritik sind gefragt– allerdings unter der Bedingung, dass der/die Autor/in einverstanden ist, im Zusammenhang mit einem Beitrag namentlich genannt zu werden!
Das Impfdesaster ist – nach Meinung des Verfassers dieses Beitrags – eine ausgesprochen peinliche Angelegenheit. Nach einem anfangs hoffnungsvollen Start wird kaum eine Gelegenheit für eine Blamage ausgelassen.
Was ist bislang sehr gut gelaufen?
Die Priorisierung,
zunächst die hochbetagten und pflegebedürftigen Personen zu impfen,
sodann die in der Pflege und Behandlung von tatsächlich oder potentiell infizierten Personen tätigen Pflegekräfte und Ärzte zu impfen,
und anschließend die weiteren, in der offiziellen Prioritätenliste danach aufgeführten, besonders exponierten Personengruppen zu impfen,
waren gute und ethisch notwendige Entscheidungen unter der Bedingung, dass für die besonders gefährdeten Personen vorläufig ein eklatanter, unabweisbarer Mangel eines lebensnotwendigen Mittels – dem Impfstoff – besteht. An der Priorisierung sollte bis zum Erreichen einer belastbaren Herdenimmunität unbedingt festgehalten werden.
Diese ‚Rationierung‘ eines Produktes, welches unter Marktbedingungen gehandelt wird, stößt bei manchen Zeitgenossen sauer auf. Es ist eine Wohltat festzustellen, dass die deutsche Bundesregierung nicht ohne Erfolg versucht, die besonders gefährdeten Personen und diejenigen, von denen man kein lukratives Wertschöpfungsptential mehr zu erwarten hat (z. B. den sog. Pflegefällen), vor der Brutalität des ungeregelten Marktes zu schützen.
Dieser Priorisierung ist zu verdanken, dass die Sterberate – entgegen der stagnierenden bzw. wieder ansteigenden Neuinfektionsrate – sehr erfreulich gesunken ist.
Wenn Sie auf die Grafiken klicken, ehrhalten Sie die aktualisierten Diagramme.
Dass es nicht einfach war und ist, diese Entscheidungskriterien unter den gegebenen angespannten Umständen politisch durchzusetzen, liegt auf der Hand. Das bedeutet, dass man alle nachrangigen Gruppen an das Ende der Warteschlage schicken muss. Jeder, der sich vordrängelt, verschiebt die gesamte Warteschlange der besonders bedürftigen Personen nach hinten.
Damit die (Vor-)Drängler*innen keine Chance haben, ist es erforderlich, die Priorisierung streng zu kontrollieren, zu dokumentieren und gegebenenfalls zu sanktionieren. Der dafür erforderliche bürokratische Aufwand ist grundsätzlich unvermeidbar; man muss diese Aufgabe nur logistisch geschickt planen und mit geeigneten Mitteln bewältigen.
Allerdings: Es fehlen in der Prioritätenliste z. B. die inhaftierten Strafgefangenen. Dieser Personenkreis, der in unserer Gesellschaft nicht die beste Lobby hat, gehört auch zu denjenigen, die aus eigener Kraft nichts unternehmen können, um sich selbst gegen eine Infektion in einer Gemeinschaftseinrichtung zu schützen – genauso wie (schwer-)behinderte, pflegebedürftige, wegen einer psychischen Erkrankung in einer geschlossenen Einrichtungen untergebrachte oder aus anderen Gründen in ihrer physischen Bewegungsfreiheit eingeschränkte oder behinderte Personen. Die Menschen in solchen ‚Zwangsgemeinschaften‘ sind einem besonders hohen und im Einzelfall unkalkulierbaren Infektionsrisiko ausgesetzt.
Es liegt auf der Hand, dass die offizielle Prioritätenliste nicht jedem Einzelfall gleichermaßen gerecht werden kann. Deshalb ist für besondere Fälle die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung vorzubehalten. Diese sollte aber eine Ausnahmeentscheidung und nicht der Regelfall sein und deshalb streng nach dem 4-Augen-Prinzip unabhängiger Entscheidungsträger getroffen werden. Wer glaubt, dass dies nicht möglich sei, irrt; man muss es nur organisieren – und zwar schnellstens.
Gut gelaufen ist, dass die Bestellung der Impfstoffe (wenigstens teilweise gemeinsam) über die EU abgewickelt wurde, wo auch immer die tatsächlichen Herstellungsorte der Impfstoffe sein mögen.
Respektabel ist auch die Haltung der Politiker, die sich in der Warteschlange für die Impfung nicht vordrängeln, auch wenn man einwenden kann, dass die Spitzenpolitiker systemrelevant sind.
Nach Auffassung des Autors ist es besser, ein Vorbild im Sinne „… der Kapitän verlässt als letzter das sinkende Schiff …“ zu sein als ein Vorbild im Sinne “ … ich bin so wichtig – also bin ich selbstverständlich der erste Fall für das Rettungsboot …“. (Ich erinnere mich an den Spruch meiner verstorbenen Mutter: „Auch der Papst segnet sich selbst zuerst“)
Das Argument, als prominete Persönlichkeit mit dem Vorbild ‚Ich zuerst‘ die Impfskeptiker überzeugen zu wollen, ist an den Haaren herbei gezogen und nach Auffassung des Autors ein fast sicherer Indikator für eine sehr niedrige Schwelle zu korruptem Verhalten. Auf Sicht gibt es mehr impfbereite Personen als Impfstoffe.
Wer sich als Politiker auf das Niveau der modernen Influencer-Kultur herablässt, um möglichst viele ‚likes‘ zu sammeln, macht allem Anschein nach populistischen Wahlkampf auf seine eigene Art, anstatt sich um das faktische Wohl seiner Wählerschaft zu kümmern.
Bis hierher
blicke ich mit einem bemerkenswerten Stolz auf die Corona-Politik in Deutschland und habe Verständnis dafür, dass die Entscheidungsfindung nicht einfach ist; ich akzeptiere, die „Späne, die beim Hobeln solch dicker Bretter fallen“ und nehme gerne in Kauf, dass eine gewisse Schwerfälligkeit der Preis für eine demokratische Entscheidungsfindung unter den Bedingungen der föderalen Struktur und der Gewaltenteilung in Deuschland ist.
Was danach
gekommen ist, hat zunehmend nicht nur einen zunehmend bitteren sondern auch einen sehr sauren Geschmack.
Gerne wird von manchen Besserwissern bezüglich der Bestellung und des Einkaufs von Impfstoffen die Vorgehensweise der USA (oder mancher anderer Staaten mit vergleichbaren Einkaufsstrategien) als Vorbild herangezogen. In der Tat, die Amerikaner haben mit Ihrem Slogan „Amerika first“ eine bessere Lieferquote (nicht zu verwechseln mit der Verteilungslogistig der Impfstoffe!) als die EU und Deutschland durchgesetzt. Wer sich bei Produktions- und Lieferengpässen mit besseren Preisangeboten am Markt vordrängelt, schiebt die anderen in der Warteschlange nach hinten. So funktioniert der Markt.
Wer diese Strategie bevorzugt, mit demjenigen teile ich nicht gerne mein Abendbrot.
Mit Datum vom 10.03.2021 liegt die Impfquote (erfolgte Impfdosen je 100 EW lt. RKI / OWiD) in Deutschland bei 9,8 im Vergleich zur weltweiten Impfquote von 4,1 und der Impfquote der USA von 28,3.
„Der Westen impft zuerst die eigene Bevölkerung. Währenddessen liefern China, Russland und Indien ihre Vakzine an weniger reiche Länder. (…) Noch empfangen meist Schwellenländer mit geringem und mittlerem Einkommen Impfstoffe aus China, Russland und Indien. Diese sind im Verteilkampf um die Vakzine der westlichen Hersteller praktisch leer ausgegangen. Denn die Vereinigten Staaten, die EU und andere reiche Länder haben die ersten Lieferungen für ihre eigenen Bevölkerungen aufgekauft. Manche haben gar viel mehr bestellt, als sie eigentlich brauchen. (…)Kein Land hat so viel chinesischen Impfstoff erhalten wie Indonesien. Fast 40 Millionen Dosen wurden bereits geliefert, fast die Hälfte aller chinesischen Exporte.“
Es lohnt sich, sich mit den Zahlen, auch den Zahlen der nichteuropäischen Lieferländer und deren eigenen Impfquoten, zu beschäftigen – am besten aus unterschiedlichen Quellen. Dann kann sich jeder ein eigenes Bild davon machen, welches Land sich in Sachen ‚Internationale Solidarität unter Corona-Bedingungen‚ mit welchem Ruhm bekleckert.
2. Mit großen medialen Spektakel sind in Deutschland in großen Hallen Impfzentren aus dem Boden gestampft worden. Eigentlich sollten diese gut funktionieren. Es wir oft darüber geklagt, dass nicht genug Impfstoff zur Verfügung steht.
So arbeiten die Impfzentren:
Von den bislang insgesamt 12,5 Mio. gelieferten Impfdosen liegen am 10.03.2021 35% = ca. 4,3 Mio. Stück in den Schubladen oder Kühlschränken. (Wenn in Zukunft mehr Impfstoff geliefert wird, benötigen die Impfzentren größere Schubladen. Das Problem könnte man lösen und bei Ikea nachfragen.)
Aus dem nachfolgenden Diagramm kann man schlussfolgern, zu welchen Arbeitszeiten dort gearbeitet wird:
Allem Anschein läuft am Wochenende in den Impfzentren nicht all zu viel. Es könnte sein, dass dort nur zu Bürozeiten gearbeitet wird.
3. Ich habe mich als approbierter (Fach-)Arzt mit Tagesfreizeit bei der für mich zuständigen Ärztekammer Nordrhein über das auf der Webseite der Ärztekammer installierte Covid-19-Freiwilligen-Register seit Januar im Abstand von mehreren Wochen bereits zweimal (!) als freiwilliger Helfer zum Testen und Impfen oder zur Beratung angemeldet. Bislang habe ich weder eine Rückmeldung noch eine Nachfrage erhalten. (Vielleicht habe ich mir dort auch als ‚Nestbeschmutzer‘ der ärztlichen Zunft einen durchwachsenen Ruf eingehandelt (?))
Allem Anschein hat man genug oder zu viel Personal für solche Zwecke.
4. Mein Schwiegervater, ein noch sehr rüstiger älterer Herr, begeht in wenigen Monaten seinen 100. Geburtstag; meine jugendliche Schwiegermutter zählt dagegen nur 85 Lebensjahre. Beide warten in Niedersachsen bis heute vergeblich auf einen Impftermin; der Transport zu einem Impfzentrum wäre kein Problem.
(Ergänzende Anmerkung vom 22.03.2021: Die beiden hochbetagten Menschen wurden am 18.03.2021 in einem lokalen Impfzentrum (in einer Turnhalle) im Kreis Celle problemlos und erfolgreich geimpft und haben das BionTech-Präparat gut vertragen.)
5. Jetzt kommen plötzlich Politiker auf die Idee, die Hausärzte an der Massenimpfung zu beteiligen. Einige Ärztefunktionäre nehmen diese Idee als Anlass zum Jubeln.
Ab April sollen auch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen Corona-Impfungen in ihren Praxen vornehmen. Der Schritt soll das Impfprogramm in Deutschland deutlich beschleunigen. Denn während bisher Impfstoffknappheit herrscht, soll bald deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung stehen. Wären dann weiterhin allein die Impfzentren zuständig, würden sie irgendwann nicht mehr hinterherkommen. (…), dass die Hausärzte – als wichtige Ergänzung zu den Impfzentren – schrittweise ins Impfen einbezogen werden sollen ….
Man lässt sich ab heute also 21 Tage Zeit, um diese weltbewegende Maßnahme für die Hausärzte vorzubereiten!
(Nachtrag vom 11.03.2021: Tageschschau.de berichtet am 11.03.2021: (…) Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, meldete bereits Zweifel am angekündigten Termin für den Impfbeginn in Praxen an. Auf die Impfressourcen könne „wohl erst im Mai in Arztpraxen zurückgegriffen werden“- danach dauert es also noch ca. 2 Monate …)
Ein niedergelassener TV-Arzt meinte im Fernsehen, dass eben die Ärzte die beste Fachkompetenz zum Impfen hätten und dass sie ihre Patienten besser kennen. Ein Armutszeugnis ohne Beispiel. Der Piks ist ja ein unglaublich virtuoser Kunstgriff, den man in den letzten Wochen jeden Tag in den Nachrichten mehrfach demonstriert bekommt.
In einer gewöhnlichen Arztpraxis ist eine Massenimpfung nach Auffassung des Autors nichts als Dummes Zeug und bietet die Gelegenheit für kreative Geldschneiderei der Zunft.
Als unterbeschäftigte/r Ärztin/Arzt kann man sich natürlich bei den Patient*innen sehr beliebt machen, denen man schneller den rettenden Piks applizieren kann, wenn man gleichzeitig ein ‚anonymes Impfzentrum‘ diskreditiert; auf die Priorisierung kommt es dann ja im Einzelfall nicht mehr an, denn mit den anderen wartenden Menschen hat der Doktor ja nichts zu tun, es sei denn, diese anderen bringen ihm auch noch erst einmal Ihren Krankenschein mit. Na ja, und auf die Quartalsabrechnung haben diese Fälle ja auch eine gewisse Auswirkung.
(Nachtrag vom 11.03.2021: Nach unterschiedlichen Quellen im Netz wird der Stundensatz eines Arztes in einem Impfzentrum mit 120 – 200 EUR diskutiert. In einer anderen Quelle wird der abrechnungsfähige Honorarsatz einer Covid-19-Impfung mit 27 EUR diskutiert; welche damit verbundenen abrechnungsfähigen Nebenleistungen und Pauschalen hinzu kommen, ist mir noch nicht bekannt. Für die Apotheken bietet die Lieferung des Impfstoffes auch ein gewisses Zubrot, es sei denn, die Apotheken wollten an dem Geschäft nichts vedienen (?).
Da ich meine Zulassung als Kassenarzt bereits 2015 zurück gegeben habe, habe ich keinen Einblick mehr in die Abrechnungspraxis und keine Vertragsbeziehung mehr zur Kassenärztlichen Vereinigung. Wenn ich zuverlässige Quellen gefunden habe, werde ich die Quellen benennen und die Angaben präzisieren.)
(Nachtrag vom 01.04.2021: Hier kann die Tabelle vom 24.03.2021 mit den Abrechnungsziffern und Vergütungsbeträgen für die Vertragsärzte der Kassenärztlichen Bundesvereinigugn (KBV) für die Covid-19-Impfung eingesehen werden. Die Grundvergütung für die Erst- und Abschlussimpfung beträgt je Impfung einschließlich Beratung und Nachbeobachtung EUR 20,–. Ein Hausbesuch wird zusätzlich mit EUR 35,– vergütet. Beratung ohne Impfung wird mit EUR 10,– vergütet.)
Dass der Doktor seine Patienten kennt, stimmt in vielen Fällen sogar – aber er kennt nicht die, die noch nie in seiner Praxis waren.
Der Doktor, seine Kollegen und auch die Politiker haben aber offenbar nicht begriffen, dass wir es mit einer Pandemie zu tun haben, in der es darauf ankommt, mit dem Mittel der Impfung jetzt und ohne einen Tag Zeit zu verlieren, die verfügbaren Impfdosen an die Impflinge zu verteilen, und zwar – wie oben beschrieben – in der nach derzeitigem Wissens- und Entscheidungsstand ethisch gebotenen, priorisierten Reihenfolge. Und ohne sich in diesem Kontext einen besonderen persönlichen (ökonomischen) Vorteil zu beschaffen oder versprechen zu lassen.
Es reicht einfach, dass sich Bundestagsabgeordnete an den der Vermittlung der Maskenbeschaffung auf unredliche Weise bereichert haben.
Es kann nicht sein, dass es nicht möglich ist, weitere Impfzentren in leerstehenden Hallen (in Gemeindehallen, Kontzertsälen, Möbelhäusern mit Großparkplätzen, brach liegenden Groß-Restaurants etc.) in wenigen Tagen aufzubauen und mit allem auszustatten, was man für eine Massen-Impfung benötigt – nicht mehr und nicht weniger. Die Vollausstattung einer Arztpraxis ist dort ebenso überflüssig wie die Fachkompetenz eines Arztes für andere Gesundheitsprobleme. Und man könnte dafür sorgen, dass diese Impfzentren sieben Tage rund um die Uhr Impfungen durchführen. Eine Massenimpfung ist keine Individualbehandlung; auch in einem Impfzentrum kann man jeden Impfling sorgfältig und respektvoll behandeln, auch Personen im hohen Lebensalter und Menschen mit Behinderung. Den Impfrisiken kann man in der Zusammenarbeit der Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen in einem Impfzentrum weitaus besser Rechnung tragen als in einer Einzelpraxis.
Jeder Arzt in einem Impfzentrum – auch wenn er nur ein paar Stunden in der Woche dort tätig ist – wird pro Zeiteinheit (in der Zusammenarbeit mit kurzfristig angelernten Hilfspersonen) mehr Impfungen durchführen können, als in seiner eigenen Praxis – vor Allem auch außerhalb gewöhnlicher Sprechzeiten.
Ein Impfling ist kein Patient; er leidet nicht und ist auch (zum Glück noch) nicht krank. Jeder Impfling, der nicht immobil ist, kann ein Impfzentrum aufsuchen. Das ist zumutbar. Wer behindert, bettlägerig ist oder nicht transportfähig ist, ist entweder in einer betreuenden Einrichtung oder wird von anderen Personen professionell oder privat zu Hause betreut. Es kann doch nicht sein, dass es nicht möglich ist, diese Personen zu einem Impfzentrum zu begleiten, wenn die Terminierung gut organisiert ist. Bei den wenigen Personen, bei denen auch das ausnahmsweise nicht möglich ist, ist selbstverständlich eine Impfung durch ein mobiles Impfteam oder den betreuenden Hausarzt sinnvoll und erforderlich.
Dieses Szenario hat aber mit der Bewältigung eines Massenanfalls von Impflingen so viel zu tun wie die Löschung eines Großbrandes durch die Feuerwehr mit dem Auspusten einer Adventskranzkerze.
Ob es politische bzw. logistische Dummheit, Wahlkampf, Erschöpfung oder verdeckte Vorteilsnahme ist, kann ich nicht unterscheiden – weder bei den Politiker*Innen noch bei meinen Kolleg*Innen.
Oder geht es darum, Herrn Minister Spahn abzusägen, der sich in der Anfangszeit der Pandemie dadurch ausgezeichnet hat, nichts zu versprechen, was er nicht halten konnte. Jetzt wird immer mehr versprochen, immer weniger gehalten und man überläßt die Organisation den Amateuren.
Wie es auch gehen könnte, kann man in der Wirtschaftswoche nachlesen. (Jeder Vergleich hinkt, aber manchmal kann man auch von denjenigen etwas lernen, die man nicht so gerne zitiert.)
(Nachtrag vom 11.03.2021: Tagesschschau.de berichtet am 11.03.2021:
Gassen [der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigundg (KBV)] beklagte zugleich die „deutsche Neigung, den Bürokratie-Oscar gewinnen zu wollen“. Dies bremse die Impfkampagne. „Wir sollten nicht alles bis ins Kleinste regeln wollen“, sagte er. Um schnell so viele Bürger wie möglich zu impfen, müsse auch die strenge Priorisierung der Ständigen Impfkommission (STIKO) schrittweise zurückgezogen werden.
Es ist unerträglich, Menschen an der Spitze der ärztlichen Selbtverwaltungskörperschaften zu haben, die neben der Einkommenssicherung der Ärzteschaft nichts anderes tun, als die Bürokratie zu bejammern, anstatt die bürokratischen und logistischen Probleme zu lösen. Dazu sind diese Peronen offensichtlich nachhaltig einfach nicht in der Lage.)
Es mir fällt schwer, diesem ethischen und logistischen Absturz in der gegenwärtigen Pandemiebewältigung tatenlos zuzusehen.