Nuclear Football – der Atommkoffer des Präsidenten …

Hier und hier Bilder und eine Beschreibung der Funktion des sog. Atomkoffers des Amerikanischen Präsidenten (Nuclear Football) Quelle: Wikipedia

Der Nuclear Football ist ein mobiles Lagezentrum, das es dem Präsidenten ermöglicht, sich an jedem Ort der Welt und zu jeder Zeit über die Situation im Falle einer substantiellen Bedrohung der nationalen Sicherheit zu informieren, Optionen zur Verteidigung sowie etwaige Angriffspläne durchzugehen und erforderlichenfalls Befehle zur Durchführung von Militärschlägen, einschließlich des Einsatzes von Kernwaffen, zu geben. Nach Meinung von Experten würde sich der Präsident im Fall der Fälle zusammen mit dem für den Nuclear Football verantwortlichen Adjutanten zurückziehen, um den Koffer zu öffnen. Der Adjutant würde in Folge eine Telefonkonferenz mit dem US-Verteidigungsminister sowie dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff (JCS) initiieren und den Präsidenten bei der Analyse der Lage beraten, sowie etwaige Angriffspläne anhand des „Black Books“ für den Präsidenten erläutern.[9] Entsprechende Befehle („Go Codes“) würden dann, nachdem sich der Präsident mit Hilfe seiner persönlichen Autorisierungscodes („Gold Codes“) identifiziert hat, an den Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff (JCS) im National Military Command Center (NMCC) weitergegeben und von diesem an die ausführenden Offiziere.[10] Nur der Präsident kann den Einsatz von Nuklearwaffen anordnen.

Der „Nuclear Football“ wird von einem der fünf (einer für jede Teilstreitkraft) Adjutanten des Präsidenten getragen, der sich stets in unmittelbarer Nähe des Präsidenten aufhält, solange dieser außerhalb des Weißen Hauses ist. Die Adjutanten sind Offiziere des US-Militärs der amerikanischen Besoldungsgruppe O-4 (entspricht NATO-Rangcode OF-3 oder Major) oder höher. Alle Adjutanten haben die umfassendste Sicherheitsüberprüfung der USA durchlaufen (Yankee White[11]) und sind immer bewaffnet.

In ersten Rückmeldungen zu meinem Beitrag „Sorge vor möglichem Atomschlag durch US-Präsidenten“ wurde z. B. geäußert

“ … ich vermute das es mit dem Atomkoffer etwas komplizierter ist, man muss ihn nicht einfach öffnen und auf den roten Knopf drücken und rums !  fliegen die Atomraketen los. (…)“

Da ist wahrscheinlich etwas dran.

Allerdings:

Das Konzept der Nuklearen Abschreckung, auf dem die nukleare Hochrüstung (Nulearer Overkill) beruht, funktioniert (mutmaßlich) nur, wenn der ‚Angreifer‘ schneller ist als der ‚Verteidiger‘. Vielleicht sind die Atomwaffen, von denen gelegentlich gesprochen wird, auch nur wirkungslose Attrappen – ich hab offen gesagt auch noch keine mit eigenen Augen gesehen und auch noch nicht gesehen, wenn so ein Ding explodiert. Allerdings sehe ich zurzeit keine Veranlasung, mich auf die letztgenannte Hypothese zu verlassen.

Wenn das mit dem nuklearen Abschreckung tatsächlich funktionieren soll, dann hat der Angreifer einfach nicht mehr Zeit, über einen Überraschungsangriff (öffentlich) zu diskutieren und diesen zu ‚organisieren‘ als der anzugreifende ‚Verteidiger‘ seinerseits, einen präventiven Gegenangriff zu organisieren und auszuführen. Das hängt natürlich auch von vielen anderen Faktoren (geografische Lage, Entfernung des Angriffsziels, Geschwindigkeit der Trägersysteme, Möglichkeiten, einen zweiten Nuklearschlag – z. B. über andere Standorte oder U-Boote – auszuführen etc.) ab. Das hat die Folge, dass ein Angriff mit Atomwaffen nicht Gegensand einer längeren innenpolitischen Diskussion sein kann. Die militärischen Entscheidungs- und Befehlsketten müssen kürzer sein als die des strategischen Gegners. In diesem Kontext geht es nicht um Tage, sondern nach meinen Informationen um die zeitliche Kategorie von wenigen Minuten. Und es ist wichtig, den Gegner mit allem verfügbaren Mittel zu täuschen, damit es ihn dann trifft, wenn er nicht damit rechnet. Ich bin sicher, dass die aktuellen Vorgänge in den USA von den ausländischen Militärstrategen aufmerksam beobachtet werden.

Das ist wohl auch der Grund, warum der Amerikanische Präsident (unabhängig davon, wie der aktuelle Oberbefehlshaber des US-Streitkräfte heißt) außerhalb der Weißen Hauses ständig ‚auf Schritt und Tritt‘ von einem der fünf Adjutanten mit dem Nuclear Football begleitet wird, denn jede verlorene Minute bedeutet u. U. ein fatales Sicherheitsrisiko.

Die entscheidende Frage ist, ob – wenn der Präsident auf dumme Gedanken kommt – es innerhalb dieser kurzen, streng geheim zu haltenden Befehlskette realistisch ist, dass diese von einem Befehlsverweigerer – lang genug – unterbrochen werden kann. Aktuell also zum Beispiel so lange, bis ein Amtsenthebungsverfahren mit Erfolg durchgeführt worden ist. Wie lange so etwas dauert und wie sicher der Erfolg ist haben wir ja schon einmal erlebt. Na ja, in Tagesschau.de wird heute (09.01.2021 23:27) berichtet: Die US-Demokraten wollen schon am Montag ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump auf den Weg bringen.

Selbst wenn einer oder mehrere der in dieser Befehlskette verantwortlichen Personen öffentlich behaupten, im Zweifelsfalle den Befehl des Präsidenten zu verweigern, stellt sich die Frage, was mit diesen Befehlsverweigerern passiert, wenn es denn passiert und sie tatsächlich den Befehl verweigern. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man im Pentagon für diesen Fälle nicht vorgesorgt hat und dass es für solche Engpässe und Stauungen in der Befehlskette keine ‚Umgehungsstraßen‘ gibt.

Nach meiner Auffassung gehört es zur strategischen Kriegsführung unabdingbar dazu, mit ‚Pokerface‘ das Gegenteil von dem zu behaupten, was man tatsächlich vorhat – und zwar so, dass der Gegner es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch glaubt. So etwas soll tatsächlich schon einmal vorgekommen sein. (Das habe ich als Kind schon gelernt, bei Versteckspiel zum Beispiel und später beim Skatspielen – und ich vermute, dass diese Vorgehensweise an der Börse und in der Finanzwirtschaft zum kleinen Einmaleins gehört. Das erstaunliche ist, dass auch sog. Experten immer wieder auf diesen Trick reinfallen.)

Man kann natürlich auch die Meinung vertreten, dass – selbst wenn es funktionierende Nuklearwaffen tatsächlich gibt – das ganze Konzept der nuklearen Abschreckung heutzutage im sog. Ernstfall gar nicht funktioniert. Leider – oder besser zum Glück – gibt es dazu aber noch weniger empirische Evidenz als mit dem ‚Angriff‘ durch das ’neuartigen‘ Coronavirus.

(Ich weiß, dass jeder Vergleich hinkt; das Gemeinsame des nuklearen Overkills, des Covid-19-Virus und der Klimaerwärmung ist aber, dass bei der Beurteilung des Bedrohungspotentials die Meinungen der Fachleute, der politischen Meinungsführer und der ‚Normalverbraucher‘ sehr weit streuen.)

Ich würde mich einfach nicht freuen, wenn man die Funktion der Befehlsketten vom Nuclear Football bis zur Zündung der ersten Nuklearwaffe in der Praxis – mit welcher Begründung auch immer – ausprobieren würde, auch wenn der Erkenntnisgewinn einer solchen Evaluation gewisse Vorteile bieten würde.

PS: Zeit.de titelt heute am 09.01.2021 um 04:00 Uhr: Nordkorea will Atomwaffenprogramm ausbauen – „USA größter Feind“:

Kim Jong Un will das Arsenal des Landes an Atomwaffen vergrößern und neue Raketen testen. Für die nordkoreanische Außenpolitik gibt er das Ziel vor: „Die USA besiegen.“

Warum denn gerade heute? Wenn das keine Steilvorlage für Trump ist, sich mit den Möglichkeiten seines Nuclear Footballs näher zu beschäftigen.

Aber sorry, von Fußball habe ich wirklich keine Ahnung, ich tue nur so als ob …

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